Der Bundesgerichtshof entschied kürzlich zwei Fälle, in denen die Anleger u.a. Lehman-Zertifikate per Telefon oder E-Mail erworben haben und ihre dahin gerichtete Willenserklärung widerrufen wollten. Die Anleger erwarben von der beklagten Bank neben anderen Finanzprodukten auch „Global Champion – Zertifikate“. Das sind Inhaberschuldverschreibungen der niederländischen Lehman Brothers Treasury Co. B.V.. Die Rückzahlung wurde von der amerikanischen Lehman Brothers Holdings Inc. garantiert.
In einem Fall erwarb die Klägerin und ihr Ehemann am 8. Februar 2007, nachdem mit einem Mitarbeiter der Bank ein Beratungsgespräch durchgeführt wurde, 16 Zertifikate. Ob das Verkaufsgespräch ganz oder teilweise telefonisch erfolgte, ist unter den Parteien strittig. Die Beklagte führte das Geschäft im Eigenhandel zu einem bestimmten Festpreis aus. Nachdem die Emmittentin und die Garantin in Insolvenz gingen, wurden die Zertifikate wertlos. Am 10. Februar 2010 erklärten die Eheleute den Widerruf der von ihnen im Rahmen des Erwerbs der Zertifikate abgegebenen Erklärungen. Die Klägerin verlangt aus eigenem, wie auch aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes die Rückzahlung des Anlagebetrages i.H.v. 16.069,60 EUR nebst Zinsen abzüglich einer Bonuszahlung. In den beiden Vorinstanzen blieb die Klägerin erfolglos.
Im zweiten Fall erwarb der Ehemann der Klägerin auf Empfehlung von Mitarbeitern der beklagten Bank, auch mittels Telefonaten und E-Mails, verschiedene Zertifikate wie „Global Champion – Zertifikate“, sowie Anteile eines in Zertifikaten investierten Fonds. Der Ehemann der Klägerin widerrief im Juli 2011 sämtliche Vertragserklärungen gegenüber der Beklagten. Die Klägerin begehrt aus abgetretenem Recht ihres Ehemanns die Rückzahlung verlorener Anlagebeträge i.H.v. 72.394,37 EUR.
In beiden Fällen hat der Bundesgerichtshof die Revisionen zurückgewiesen.
In seiner Begründung führte der Bundesgerichtshof im wesentlichen aus, dass nach § 312d Abs.4 Nr.6 BGB eine auf den Abschluss eines Fernabsatzvertrages gerichtete Willenserklärung dann nicht widerrufen werden kann, wenn der Vertragsgegenstand die Verschaffung von Finanzdienstleistungen ist, deren Preis innerhalb der Widerrufsfrist dem Einfluss des Unternehmers, hier der beklagten Bank, entzogen ist und den Schwankungen auf dem Finanzmarkt unterliegt. Dabei ist der Begriff „Preis“ nach der Gesetzessystematik und der Gesetzgebungsgeschichte weit auszulegen. Preis ist nicht nur der Börsen – / Marktpreis eines Produktes, der auf dem Finanzmarkt erzielbar ist. Preis im Sinne der Vorschrift können auch weitere Parameter sein, von denen der Wert eines Finanzproduktes abhängt. In den vorliegenden Fällen sollten die Bonuszahlungen und die Rückzahlung der „Lehman-Zertifikate“ von der Entwicklung dreier Aktienindizes (Dow Jones EuroSTOXX 50, Standard & Poor’s 500, Nikkei 225) während dreier aufeinanderfolgender Beobachtungszeiträume ab dem 7. Februar 2007 abhängen. Dadurch hing der Wert der Zertifikate von Parametern (Basiswerten/Underlyings), also von der Entwicklung der drei Aktienindizes ab. Diese waren den von der beklagten Bank nicht beeinflussbaren Schwankungen auf den Finanzmärkten unterworfen. Der Ausschluss des Widerrufsrechts nach § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB hat den Sinn, dass der Erwerber risikoreicher Papiere eines wenigstens mittelbar finanzmarktbezogenen spekulativen Geschäfts einen drohenden Verlust aufgrund fallender Basiswerte nicht durch Ausübung des Widerrufsrechts auf den Unternehmer (Bank) abwälzen kann.
Die vollständige Entscheidung ist wesentlich umfangreicher und juristisch komplexer formuliert. Die Orginalentscheidung können Sie beim jeweiligen Gericht anfordern. Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.11.2012 – XI ZR 384/11 –